- zurück zur Auswahl -

Bericht München 2. April 2005

Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, den 3. April 2005



Die bayerische Landeshauptstadt ist eine Reise wert. Selbst dann, wenn man aus dem hohen Norden kommt, und selbst dann, wenn einem unterwegs das Auto liegen bleibt und man mitten in der Nacht einen Leihwagen organisieren, die ganze Ausrüstung umladen und dann mit Zeitverzug die Reise fortsetzen muß.

Vor Ort angekommen, erfuhr ich in meiner Eigenschaft als VL II (stellvertretender Versammlungsleiter bzw. Versammlungsleiter zwo) vom VL (dem eigentlichen Versammlungsleiter) das erste organisatorische Problem: Der eigentliche Organisator war ausgefallen. Polizeigewahrsam. Man hatte ihn im Vorfeld der Demo durchsucht und war fündig geworden – eine Dose Pfefferspray. Eine kleine Unachtsamkeit, die nicht unbedingt vorbildlich ist. Aber menschlich gesehen ist der Mann entschuldigt – es hatte im Vorfeld der Demo gegen ihn so massive Morddrohungen gegeben, daß sogar die Polizei ihn in amtlicher Eigenschaft gewarnt hatte.

Ähnlich lästig war, daß die Polizei sich nicht an vorherige Absprachen mit den Organisatoren hielt und keine Fahrzeuge im unmittelbaren Versammlungsbereich abparken ließ. So was macht das Erreichen des Kundgebungsortes für manche Teilnehmergruppen dann zu einer Art Spießrutenlauf. Denn auf der Theresienwiese hatten sich schon ein paar hunder Gegendemonstranten eingefunden, die außerhalb einer polizeichen Absperrung Blicke mit den eigentlichen Demonstranten wechselten, bei denen man sich fragen konnte, wer denn hier die durch Gitter geschützten Zuschauer waren und wer die Raubtiere, vor denen man die Zuschauer durch Gitter schützen mußte. Wer immer vor tausenden von Jahren Gitter erfunden hat, sollte postum den Nobelpreis verliehen bekommen – den für Volksbelustigung. Wenn das norwegische Parlament sich eines Tages zusammen mit der Alfred-Nobel-Stiftung entschließt, so einen einzurichten.

Trotz der damit verbundenen Ärgernisse begann die Versammlung mit einer geringeren Zeitverzögerung, als man das von unseren Demonstrationen meistens erwarten durfte – in der Hinsicht funktionierte die bayerische Organisation geradezu vorbildlich preußisch, was ich als Norddeutscher ganz ohne Stammesanimositäten wohl sagen darf.

Innerhalb des Karrees versammelten sich nach späterer Zählung beim Abmarsch ca. 380 Teilnehmer. (Polizeibericht spricht geringfügig untertreibend von 300.) Außen herum mögen es rund doppelt soviele gewesen sein. Längs der Wegstrecke waren es noch ein paar mehr; die genaue Zahl war schlecht festzustellen; der Polizeibericht sprach von zweitausendfünfhundert. Das mag angehen. Eine vorherige Gegendemonstration auf dem Marienplatz mit Münchens (Ober?)Bürgermeister Ude soll nach Berichten unserer Beobachter zwischen tausend und maximal zweitausend Teilnehmer gehabt haben. Da diese wohl größtenteils personenidentisch mit der bunten Mischung aus Punks, Autonomen, ausländischen Mitbürgern und völlig normal wirkenden Bürgern war, die unsere Wegstrecke säumten, kann die Schätzung durchaus hinkommen.

Auf der Auftaktkundgebung – noch auf der Theresienwiese – sprachen der Versammlungsleiter Hayo Klettenhofer und ein NPD-Funktionär, dessen Name ich peinlicherweise überhört habe, weil ich gerade dabei war, die für den mobilen Einsatz vorgesehene Lautsprecheranlage zu montieren. Die für den stationären Einsatz bereits aufgebaute Lautsprecheranlage, die wohl deutlich über 10.000 Watt hatte, war zwar erheblich eindrucksvoller, aber eben nur für den stationären, nicht für den mobilen Einsatz geeignet.

Anfangs des Umzuges flogen ein paar Wurfgeschosse, größtenteils eher harmloser Natur, wie Bananenschalen und Tomaten. Später wurde auch noch mit Milchtüten auf uns geworfen, was sehr anlaßbezogen war, denn am gleichen Tag fand in München eine Bauerndemonstration statt, die sich gegen Billigangebote eines Supermarktes richtete, der Milch offenbar sogar unterhalb des Erzeugerpreises verkauf. Klar, daß die finanziell notleidende Linke dann zu solchen Geschossen (nur 33 Cent der Liter!) griff; Tomaten sind teurer. Als besonders wirtschaftlich empfand ich allerdings die Banenenschalen. Ißt man – wie die Werfer es offenbar getan hatten – die Banene vorher, hat sie einen doppelten Nutzen. Bananen sollen glücklich machen (Erhöhung des Serotoninspiegels oder so), und die Schalen sind dann immer noch als Wurfgeschoß brauchbar. Allerdings war die ballistische Wirkung von Bananenschalen doch eher gering. Und ausgerutscht darauf ist auch niemand, obwohl den Demonstranten – wie üblich! – etliche Formen festeren Schuhwerks per Auflage untersagt waren.

Auf der Zwischenkundgbung sprachen Axel Reitz und Lars Käppler.

Auf dem Rückweg nahm die Zahl der Wurfgeschosse spürbar ab; der Gegenseite war die Munition ausgegangen.

Zur Abschlußkundgebung gab’s dann noch eine Rede von mir, und dann begann das musikalische Programm. Dieses wurde von Anett, Michael Müller und der Band „Act of Violence“ vorgetragen. Frecherweise hatte das münchner Kreisverwaltungsreferat den Vortrag von allen möglichen Texten von Anett und Michael Müller untersagt, so daß deren Möglichkeiten nun einmal beschränkt waren. Die Band hatte trotz ihres ein wenig gewaltbereit klingenden Namens offenbar ein Repertoire, von dem weit weniger als angeblich indizierungswürdig oder jugendgefährdend untersagt werden konnte; entsprechend länger konnte sie sich entfalten.
Musikalisch kann ich dazu nicht viel sagen, weil das nicht meine Stilrichtung ist; aber rein optisch fielen die Jungs von der Band irgendwie angenehm auf. Zwei von ihnen in schwarzen Anzügen mit weißen Hemden, der dritte nicht ganz so bürgerlich, aber immerhin auch noch sehr dezent in schwarzer Hose und schwarzem Rollkragenpullover, hätte man sie vom Anblick her eher für Mitspieler in dem Kult-Film „Men in black“ als für eine Rechtsrock-bzw. Skinheadband halten können. Diese unkonventionelle Form der Erscheinung finde ich sehr positiv; sie zeigt, daß wir uns nicht auf Streotypen festlegen oder festlegen lassen.

Die Durchführung eines reibungslosen Abzuges war wegen der Anwesenheit immerhin noch vieler und teilweise gewaltbereiter Gegendemonstranten nicht völlig einfach; erschwerend kam hinzu, daß entgegen der vorherigen Absprache die Fahrzeuge größtenteils nicht am gesicherten Versammlungsbereich geparkt waren, sondern im weiten Umfeld verstreut. Um zu verhindern, daß Einzelne oder kleine Gruppen von einem feindlichen Mob überfallen werden konnten, muß vor allem den den Auswärtigen mancher Umwege und Zeitverluste in Kauf nehmen; dafür aber war die Sicherheit gewährleistet. Was einen kleinen Verlust an Zeit wohl rechtfertigt.

Alles in allem also eine gelungene Aktion; schön, daß es nach rund zweieinhalb Jahren in der bayerischen Landeshauptstadt wieder einmal einen größeren Auftritt von uns gab; und doppelt schön, daß dabei ein öffentliches Rechtsrockkonzert stattfinden konnte, während die radikale Linke bei früheren Gelegenheiten nicht imstande war, ein „Rock-gegen-rechts“-Konzert auf der Theresienwiese durchzusetzen.....

Christian Worch



 Zur Startseite