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Aktionen zum 20. August

Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, den 20. August 2005



Nachdem das Verbot der Wunsiedel-Demonstration (zumindest FÜR DIESES JAHR) bestätigt wurde, fragte sich viele: Was nun tun? – Der Anmelder Jürgen Rieger selbst und der Neu-NPD-Vorständler Thomas Wulff bevorzugten als ihren persönlichen Plan B offenbar eine NPD-Demo in Nürnberg. Anderen wollten es lieber parteifrei haben und meldeten in Berlin eine Demo für Meinungsfreiheit und gegen § 130 Abs. 4 StGB an. Das gleiche Thema hatten zwar auch Demos, die für Magdeburg und Jena angemeldet waren, aber die Organistoren dort wollten es weder völlig parteilich noch völlig parteifrei – sie versuchten es mit einer Art von „Mischform“, wobei sie allerdings letztlich in der falsch verstandenen Hoffnung auf juristische Sicherheit daraus dann „Wahlkampfkundgegungen“ der NPD machten.

Es gab aber auch ein paar Leute, die keine Lust hatten, sich von der BRD das richtige Hess-Gedenken verbieten zu lassen. Die andererseits aber auch keine Lust hatten, sich möglicherweise lästige und langwierige Strafverfahren einzuhandeln. Da erinnerte sich jemand daran, daß mangels einer (damals legalen) deutschen Alternative vor ziemlich genau zehn Jahren schon einmal ein Rudolf-Hess-Marsch im befreundeten Ausland stattgefunden hatte, in Roskilde nahe Kopenhagen.

Rasch wurden dänische Kameraden kontaktet, die ihre Hilfe zusagten. (Hier noch einmal spezieller Dank an die Dänen! You’re red, you’re white, you’re danish Dynamite!) Zuerst war eine Demonstration in Roskilde angedacht, was mir persönlich durchaus gut gefallen hätte, allein in Erinnerung an die vor zehn Jahren. Aber die Dänen entschieden sich dann doch lieber fürs dänische Festland. Einerseits wohl aus Rücksicht auf die Anreisewege norddeutscher Kameraden, andererseits, weil Kopenhagen ein sehr linkes Nest ist und in Roskilde recht sicher mit Krawallen zu rechnen gewesen wäre.

Zur Vermeidung von Krawallen verzichteten die Dänen auch auf eine behördliche Anmeldung. Ich war zuerst ein wenig unangenehm überrascht – so was kann in Deutschland lästige Folgen haben. Aber die dänischen Gesetze sind da viel liberaler, erfuhr ich. Der Leiter einer unangemeldeten Kundgebung muß in Dänemark ein Ordnungsgeld von 60 EURO bezahlen, und die Teilnehmer können schlimmstenfalls mit einem Platzverweis für die entsprechende Stadt belegt werden. Solche Gesetze gefallen mir. Sollte man hier auch haben! Man könnte sich manch teuren Prozeß sparen!

Die Einschätzung der Dänen, daß auf dem Festland nicht so viel Polizei mobilisierbar sei, erwies sich allerdings als falsch – es waren immerhin ca. zweihundert Mann in blau, die aufkreuzten und den Anfang der Veranstaltung durch Kontrollen um ungefähr zwei Stunden verzögerten. Außerdem änderten sie die vorgesehene Route; wahrscheinlich, weil diese erstens an einem Stadtfest vorbeigeführt hätte und zweitens auch an einem örtlichen Büro einer dänischen kommunistischen Partei. Ansonsten aber war die dänische Polizei durchaus kooperativ. Sie nahmen nur ein paar Leute fest, die Gegenstände bei sich hatten, die nach dem dänischen Waffengesetz als solche verboten sind. Da muß man leider ganz trocken sagen, daß die Kameraden, die betroffen waren, selbst schuld sind. Wenn ich in Deutschland eine Tränengassprühdose oder einen Baseballschläger zu einer Demonstration mitnehme, ist das verboten – warum also sollte es in Dänemark legal sein? Weil die Dänen von Meinungsfreiheit mehr halten als die BRD-Behörden? Das ist nun mal kein Grund – Tränengas oder Knüppelhiebe sind irgendwie weniger eine politische Meinungsäußerung. Man kann den dänischen Polzisten nicht verübeln, daß sie von ausländischen Gästen erwarten, daß diese sich an die Gesetze Dänemarks halten....

Also konnten wir mit einem wenngleich eher geringen Ausfall an Teilnehmen gegen 13.oo Uhr beginnen. Der Hinweg war als Schweigemarsch gestaltet. Auf der Zwischenkundgebung sprachen ein Vertreter unserer dänischen Gastgeber, ein Kamerad aus Schweden sowie zwei Kameraden aus Deutschland, darunter meine Wenigkeit. Auf dem Rückmarsch erklangen dann lautstark Parolen. Darunter auch eine ganze Menge, die in Deutschland nicht erst seit dem neuen § 130 Abs. 4 StGB strafbar sind.... Der Gruß „Sieg Heil“ beispielsweise ist in Dänemark ebensowenig verboten wie das Zeigen der Hakenkreuzfahne.

Auch wenn die Wartezeit nervig war (aber da kennen wir von deutschen Demos teilweise Schlimmeres) und das Wetter eher schwül-drückend als angenehm und die Marschstrecke nicht unbedingt durch belebte Gegenden führte, war es vorallem für die deutschen Teilnehmer sicherlich ein besonderes Erlebnis, einmal die politische Meinungsfreiheit in Dänemark genießen zu dürfen.

Andere:

In Berlin demonstrierten zwischen 500 und 1000 Teilnehmer. (500 meldet RBB, 700 bis 800 meldet die linke Internetquelle Indymedia, und 1.000 wurde von den Veranstaltern selbst angegeben; möglicherweise mehr das Ergebnis einer Schätzung als das einer Zählung.) Die Gegendemonstranten waren erkennbar schwächer. (200 bis 300 nach Indymedia.) Bis auf etwa ein Dutzend Festnahmen auf beiden Seiten gab es eine nennenswerten Zwischenfälle; die anmeldete Demonstrationsstrecke konnte vollständig genutzt werden.

In Magdeburg erfolgte ein sehr kurzfristiges Verbot, nachdem vorher offenbar (nach Veranstalterangaben) ein Auflagenbescheid erlassen worden war.

Infolge des Magedeburg-Verbotes demonstrierten ca. 600 Teilnehmer unangemeldet in Peine. Diese Spontandemo blieb behördlich unbehelligt. Die Antifa hatte keine Gelegenheit zur Reaktion.

Was sich die eigentlichen Wunsiedel-Verantwortlichen als „Plan B“ ausgedacht hatten, floppte ein wenig. Zwar konnte die NPD sich gegen das Versammlungsverbot in Nürnberg vor dem Verwaltungsgericht wie vor dem Oberverwaltungsgericht durchsetzen. Es kamen jedoch nur zwischen 350 und 450 Teilnehmer. (350 meldete der Bayerische Rundfunk, von 450 sprach Thomas Wulff.) Die Veranstaltung blieb auf eine stationäre Kundgebung beschränkt, weil ein paar hundert eilig mobilisierte Gegendemonstranten einen angeblichen „polizeilichen Notstand“ auslösten.

Kleinere (unangemeldete bzw. spontane) Demonstrationen melden teilweise die Medien, teilweise interne Quellen; 170 Personen in Weißenfels und 120 in Ingolstadt.

Fazit:

Die von den eigentlichen Wunsiedel-Verantwortlichen als Reaktion auf die Verbotsbestätigung vorgesehene Veranstaltung fand eher geringe Akzeptanz; dies mag daran liegen, daß sie unter NPD-Flagge lieg.

Insgesamt werden wohl bei 2.000 Aktivisten sich manifestiert haben; deutlich weniger, als bei regulärer Durchführung der Wunsiedel-Veranstaltung zu erwarten gewesen wären, aber immerhin auch noch eine beachtliche Zahl.

Erkennbar ist geworden, daß durch den Wegfall eines einigenden Moments – der Ort Wunsiedel als letzte Ruhestätte von Rudolf Hess – Regionalisierung oder Zersplitterung eingetreten ist; einen echten Konsens über eine gemeinsame, zentrale Protestveranstaltung gegen das Verbot gab es nicht. Das ist, ehrlich gesagt, auch nicht erstaunlich, wenn man bedenkt, daß das, was seitens der Veranstalter vorgesehen war, eben unter parteilicher Fahne lief. Weder die Partei noch die Wunsiedel-Veranstalter haben einen so breiten Einfluß, daß sie das durchsetzen können. Der Geist von Rudolf Hess steht über parteilichen Wünschen und auch über persönlichen Ansprüchen.

In dieser Hinsicht war Rudolf Hess als Mensch erkennbar weiter als wir es als politische Szene oder als politisches Lager es heute sind! – Vielleicht auch, weil er als Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges einer Generation entstammte, die die Dinge noch viel fundamentaler sah, als dies heute der Fall ist. – Wie auch immer, eine Art von „copyright“ auf den Namen oder auf das Gedenken an Rudolf Hess hat niemand; das hat sich am heutigen Tag gezeigt.

Mit besten Grüßen
Christian Worch


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