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Halbe, 17. September 2005

Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, den 18. September 2005



Liebe Kameradinnen und Kameraden!

Ähnlich erbittert – wenngleich nicht mit so tödlichen und dramatischen Folgen – wie vor gut sechzig Jahren die Kämpfe um Halbe, wird auch heutzutage um diesen Ort gerungen. Und zwar vor Gericht. Die Prozeßgegner sind dabei einerseits der jeweilige Anmelder, Kamerad Lars Jacobs oder im gestrigen Fall ich, und andererseits eine Übermacht, die sich rein zahlenmäßig durchaus mit der russischen Übermacht im Jahre 1945 vergleichen läßt. Da ist der Rat der Gemeinde Halbe, der Amtsdirektor des Schenkenländchens, das Polizeipräsidium Frankfurt/Oder und schließlich auch noch als eine Art Generalstab das Innenministerium des Landes Brandenburg unter Leitung des Es-Generals Schönbohm. 
Allerdings, auch wenn ihre Übermacht durchaus der damaligen russischen vergleichbar ist – sie sind weder so tapfere Kämpfer wie die Rotarmisten noch auch nur annähernd so erfolgreich!

Nach der zahlenmäßig eindrucksvollen und vom würdigen Verlauf her kaum nachahmlichen Heldenehrung im letzten Jahr hatte vor allem Ex-General Schönbohm die Absicht, Halbe für usn künftig unattraktiv zu machen. Militärisch ausgebildet, ging der nunmehrige zivile Minister in einer Art von Zangenangriff vor. Erstens ließ er durch ein willfähriges Parlament das Gräberstättengesetz ändern, und außerdem war es wohl er, der das ihm nachgeordnete Polizeipräsidium Frankfurt/Oder auf den lichtvollen Gedanken brachte, die Ernst-Teichmann-Straße zu einer „Privatstraße“ zu erklären, um sie für eine Demonstration nicht nutzbar zu machen.

Deshalb hatte Kamerad Lars Jacobs schon für Juni dieses Jahres noch eine Veranstaltung in Halbe angemeldet. Das Verwaltungsgericht der ersten Instanz teilte noch die Meinung des Polizeipräsidiums, daß die Veranstaltung nicht unmittelbar am Friedhof stattfinden dürfe, doch das Oberverwaltungsgericht des Landes Brandenburg sah das berechtigterweise anders. Auch wenn damals, im Juni, nur eine stationäre Veranstaltung möglich war, wurde doch vom obersten Verwaltungsgericht dieses Bundeslandes festgestellt, daß es grundsätzlich keine rechtlichen Gründe gäbe, eine Totenehrung auf dem Platz vor dem Friedhof zu verhindern.

In der Verteidigung geradezu militärisch zäh, betrieb Ex-Soldat und jetzt-Zivilist Schönbohm nicht nur Richterschelte (was eigentlich auch unter hochrangigen Politikern eher als unfein gilt), sondern meinte außerdem, nun, dies könne sich ja ab dem 1. Juli ändern, weil es dann eben das Oberverwaltungsgericht Brandenburg nicht mehr gäbe, sondern ein neues, gemeinsames Oberverwaltungsgericht für die beiden Länder Berlin und Brandenburg; und damit neue Senate, neue Geschäftsverteilungspläne und so weiter und so fort.

Diese Hoffnung zerschlug sich am 16. September. Der Senat des neuen gemeinsamen Oberverwaltungsgerichts sah keinen Grund, zu einem anderen Ergebnis zu kommen als das frühere Oberverwaltungsgericht.

Also waren wir am Sonnabend, dem 17. September, erneut in Halbe.

Die politischen Gegner hatten nicht einmal eine richtige Gegendemonstration zustandegebracht. Gewissermaßen als Ersatz hatten sie – passend zu Wahlkampfzeiten – Infostände aufgestellt. Es war alles vertreten, was Rang und Namen hatte, außer der FDP: die CDU ein wenig abseits, dann die Grünen, SPD, PDS bzw. WASG bzw. Linkspartei und sogar ein Sonnenschirm der DKP war zu sehen. Ob nun die PDSler auf alte DKP-Bestände zurückgreifen oder ob die DKP einen eigenen Info-Tisch aufgemacht hatte, ließ sich nicht beurteilen – wir waren nicht nahe genug dran, solche Feinheiten zu unterscheiden....

Obwohl nicht gerade reichlich besetzt, entblödeten sich einige der Leute an den Infoständen natürlich nicht, Trillerpfeifen zu blasen. Womit sie nichts störten als klassische Musik; unter anderem von Smetana. Sollen wir das so verstehen, daß jetzt die etablierten Parteien schon als ausländerfeindlich angesehen werden müssen?

Wir ließen uns davon nicht stören. Gerade in einem kleineren Kreis von Demonstranten – wir hatten nur regional mobilisiert und auch das recht nachlässig, mit geringer Intensität – wird einem die Bedeutungsschwere des damals hart umkämpften Ortes irgendwie noch bewußter, als wenn tausend oder zweitausend oder mehr Teilnehmer die Straße füllen. 

Noch intensiver war das Empfinden auf dem Platz vor dem Friedhof.

In der gleichen würdevollen Ordnung ging es zurück zum Ausgangspunkt, auch diesmal ohne Sprechchöre, nur mit der Beschallung durch klassische Musik.

Mit dem Wetter hatten wir gleichfalls Glück; obwohl mit hoher Wahrscheinlichkeit Regen angesagt war, blieb es trocken, teilweise war es sogar angenehm sonnig.

Somit war die Veranstaltung selbst, auch wenn in kleinem Kreis und dadurch auch von geringer Dauer, als ebenso gelungen zu werten wie der vorherige Rechtskampf.

Und damit dürften auch jene Stimmen verstummen, die ein wenig angstvoll vermuteten, wenn Wunsiedel verboten geblieben ist, würde wohl auch Halbe erfolgreich verboten werden. Den Beweis des Gegenteils haben wir am 18. September angetreten, und damit ist der Weg frei zu einem großen und würdigen zentralen Heldengedenken am Sonnabend, dem 12. November.

Christian Worch


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