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Bericht Duisburg

Nachricht von
Christian Worch

Hamburg, den 27. November


Bericht Duisburg, 26. November 2005

Auslöser für die Anti-Repressions-Demonstration waren Ereignisse am 30. Juli in Duisburg. Da hatte man nach etwa 150 Metern unseren Demonstrationszug gestoppt. Vorwand für die Polizei waren dabei vielleicht zweihundert Gegendemonstranten, die mehr oder weniger fast außerhalb unserer Sichtweite irgendwo auf einer Kreuzung standen und die das gewaltige, eine halbe Million EURO teure Polizeiaufgebot angeblich nicht entfernen konnte.... Wollte ist richtiger gesagt. Daß wir uns so etwas nicht mehr ohne politischen Widerstand gefallen lassen, sollte inzwischen bekannt sein.

Während sich damals im Hochsommer etwa 350 Demonstranten in Duisburg eingefunden hatten, waren es bei sehr unangenehm naß-kalter Witterung und am Abend vorher über Nordrhein-Westfalen hereingebrochenem Schneechaos bei 220 bis 230 Demonstranten.

An Gegendemonstranten wurde nur ein eher spärlicher Haufen gesichtet.
Zugeben muß man ihnen allerdings, daß bei den wenigen Gelegenheiten, wo sie uns relativ nahe waren, sie sehr eifrig bemüht waren, ihre geringe Zahl durch höhere Lautstärke auszugleichen. Vor der Auftaktkundgebung am Bahnhof konnte man bei dem „Nazis raus“ auch einen leichten südländischen Akzent heraushören. Ein Blick auf die Leute verriet dann auch, daß sie etwa so aussahen, wie ihr Akzent klang....

Die Demo-Strecke verlief ohne besondere Zwischenfälle. Einmal versuchte sich die Polizei einen Teilnehmer zu greifen, der angeblich oder tatsächlich „Mehmet, Ali, Mustafa – geht zurück nach Ankara!“ gerufen haben soll, was einige Staatsanwalten in Nordrhein-Westfalen und auch Gerichte für strafbar halten. Der Teilnehmer entschwand jedoch in den endlosen Massen. Weiterhin konnten wir feststellen, daß an einem Fenster im obersten Geschoß des Hauses Bismarkstraße 113 ein Plakat hing, das ein durchgestrichenes Hakenkreuz zeigt. Da inzwischen Gerichte dazu übergegangen sind, auch durchgestrichene Hakenkreuze als Symbol gemäß § 86 a StGB anzusehen (womit, wenn, dann eben nur Linke verurteilt werden, weil so was für Rechte eher untypisch wäre....), wurde prompt Anzeige erstattet. Scharmützel hier, Scharmützel da; und Anzeige wird mit Anzeige erwidert! Einen weiteren – wenngleich nicht sehr dramatischen – Zwischenfall gab es kurz vor der Abschlußkundgebung, als ein Kamerad es leid war, sich von einem Linken anspucken zu lassen, die Reihe der Polizisten durchbrach, dem Linken eine reinhaute und von den Polizisten daraufhin festgenommen wurde. Daß der Linke festgenommen worden wäre, ist mir nicht bekannt. Vielleicht muß die Duisburger Polizei noch lernen, daß es erstens strafbar ist, jemanden anzuspucken, und daß zweitens die unmittelbare Reaktion mit einer einfachen Gewalttätigkeit auf eine Beleidigung üblicherweise von den Gerichten straffrei gestellt wird. (Wechselseitiger Austausch von Tätlichkeiten und Beleidigungen oder so nennt sich das.)

Naja, die Duisburger Polizei muß eben noch eine Menge lernen, wie wir schon im Sommer festgestellt haben....

Für interessierte Leser hier noch die Rednerliste: Auf der Auftaktkundgebung sprachen Daniel Gräf aus Norddeutschland, der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Claus Cremer, und Dieter Riefling aus Norddeutschland; auf der Zwischenkundgebung sprachen Sven Skoda, der Veranstalter Axel Reitz selbst und meine Wenigkeit, und auf der Abschlußkundgebung sprachen Siggi Borchard und noch wer – Herrgottnochmal, alles Leute, die ich kenne, und trotzdem vergesse ich manchmal einen. Entschuldigung also an jeden, der bei dieser und anderer Gelegenheit vergessen wurde.

Alle sprachen mit Hilfe einer Lautsprecheranlage, und auch damit hatte es eine besondere Bewandnis.

Die Duisburger Polizei hatte in ihren Auflagenbescheid einen „Hinweis“ hineingenommen, der ausdrücklich keine „Auflage“ sein sollte, sondern ein „Hinweis“, aber eben einer Auflage gleich kam. Er lautete sinngemäß, daß bei einer Teilnehmerzahl von weniger als 250 Personen für den Betrieb einer Lautsprecheranlage eine Genehmigung einzuholen sei, anderenfalls sei nur der Betrieb von Handmegaphonen zulässig. Das sah der Veranstalter nicht ein und wandte sich an das Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht wies seinen Antrag zurück; es sei ein „Hinweis“, der mithin nicht außervollzugsetzungsfähig sei. Dagegen legte er Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Münster ein. Muß ich noch erzählen, wie die Beschwerde beschieden wurde?! Ich denke, die regelmäßigen Leser meiner Demonstrationsberichte wissen, wie das Oberverwaltungsgericht Münster üblicherweise zu entscheiden pflegt.... – Dagegen richtete der Veranstalter einen Eilantrag an das Bundesverfassungsgericht und war insofern erfolgreich, als das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren meinte, der Betrieb einer Lautsprecheranlage sei bei einer Teilnehmerzahl von mindestens 150 Personen auf jeden Fall vom Versammlungsrecht gedeckt und bedürfte damit keiner Genehmigung nach dem Landesemissionsschutzgesetz.

Für die hier stattgefundene Veranstaltung war das insofern vorteilhaft, weil sie weniger als 250, aber mehr als 150 Teilnehmer hatte. Auf der anderen Seite wird diese Sache noch mal nachgearbeitet werden müssen. Denn wenn da 149 Demonstranten auf der Straße stehen und die Redner nur Megaphone benutzen dürfen, wird es ein akustisches Problem geben. Aber der Veranstalter hat im Juli bereits einen gleichlautenden „Hinweis“ bekommen. Damals spielte das keine Rolle, weil wir mit 350 Teilnehmern locker 100 mehr waren als 250. Trotzdem hat er diesen „Hinweis“ vorsorglich mit der Fortsetzungsfeststellungsklage angefochten. Dann wird das Verfassungsgericht sich eines Tages im Hautpsacheverfahren ohne Zeitdruck drüber Gedanken machen können. Vielleicht laden wir dann zu einer Demo in Duisburg mal einen Verfassungsrichter ein, damit er sich selbst einen Eindruck davon verschaffen kann, wie gut oder wie schlecht 149 Teilnehmer einen Redner verstehen, wenn der nur ein Megaphon benutzen darf.... Wir sind in dem Fall auch gern bereit, den Verfassungsrichter selbst als Redner auftreten zu lassen – das wäre mal eine Neuheit. Und von dem Vortrag eines solchen Höchstrichters könnten möglicherweise auch die umstehenden Polizeibeamten noch ein wenig was lernen. Mehr vielleicht noch als wir....

Christian Worch


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