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Demonstration in Delitzsch, 6. Mai 2006

Christian Worch

Hamburg 06. Mai 2006

Am Sonnabend, dem 6. Mai, fand in Delitzsch eine Demonstration zur Erinnerung an den 8. Mai statt; gegen Kriegstreiberei damals wie heute.

Sehr aktuell war die Demonstration natürlich vor dem Hintergrund, daß zwei aus Sachsen (und einer davon aus unmittelbarer Nähe von Delitzsch) stammende Ingenieure oder Techniker nach dreimonatiger Geiselhaft und mehreren Todesdrohungen im Irak freigelassen worden waren. Egal, ob die Bundesregierung dafür – wie von einigen Medien behauptet – zehn Millionen Dollar bezahlt hat oder nicht; es ist in jedem Fall ein Grund zur Freude. Denn an dem Schicksal der beiden jungen Männer haben aktiv zigtausende von Sachsen in Mahnwachen und Gottesdiensten Anteil genommen, und leztlich hat das ganze Volk mit ihnen und ihren Familien gebangt.

Bei aller Freude ist natürlich trotzdem eine Mahnung fällig; denn ohne die modernen Eroberungskriege der anglo-amerikanischen Koalition würden solche lebensbedrohlichen und auf jeden Fall traumatischen Situationen für Deutsche im islamischen Ausland nicht eintreten; es gibt eine traditionelle deutsch-arabische Freundschaft. Indem aber die BRD, dankbar für die sogenannte „Befreiung“ 1945 und in geradezu nibelungenhafter Bündnistreue zu den USA, sich direkt oder indirekt in solche Kriege mit fremden Kulturkreisen hineinziehen läßt, ist es leider auch unvermeidlich, daß im dortigen Raum lebende oder arbeitende Deutsche zu Bauern auf dem Schachbrett der Politik oder einfach nur krimineller Banden werden.

Bei sehr schönem Wetter versammelten sich nach meiner Zählung 198 Demonstranten. Der ortsansässige Versammlungsleiter verkündete die üblichen Auflagen, die uns die übliche Menge an Panzertape für das Überkleben so gefährlicher Kleidungsmarken wie Lonsdale o.ä. kostete; und zwei Träger von modischen Tarnhosen durften nur außerhalb des Zuges mitlaufen statt im Zug. Das war allerdings in Delitzsch – anders als knapp eine Woche vorher im nahegelegenen Leipzig – überhaupt kein Problem. Denn von der politischen Gegenseite war nicht viel zu sehen oder zu hören. Auch die angeblich so starken Leipziger Linken erholten sich entweder von den Anstrengungen des 1. Mai oder genossen den Frühsommertag in Connewitzer Straßencafes, die mir persönlich durchaus auch mal eine Kaffeefahrt außerhalb des Protokolls wert wären. (Ich bin kaffeesüchtig. Nebenbei erwähnt. Oder koffeinsüchtig, um genau zu bleiben – es darf auch Cappuccino oder Espresso sein.)

Auf der Auftaktkundgebung kam der Kamerad W. aus Sachsen zu Wort, auf der Zwischenkundgebung meine Wenigkeit, und auf der Abschlußkundgebung der Kamerad G. aus Thüringen. Alle Redner streiften zwar auch die Ereignisse im Vorfeld und nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, aber das Hauptgewicht lag auf aktuellen Ereignissen, namentlich bei der Kriegsdrohung gegen den Iran, der sowohl in Sachen des sogenannten „Atomstreits“ als auch wegen der geschichtsrevisionistischen Äußerungen seines Präsidenten der einzig verbliebenen Supermacht USA als unbotmäßig erscheinen mag. Insbesondere wurde dabei auch herausgearbeitet, daß es eine Wechselwirkung zwischen den modernen Kriegen (namenntlich in den rohstoffreichen Regionen) und dem immer weiter ausufernden Kapitalismus gibt. Damit war, metapolitisch gesehen, auch in gewissem Sinne der Bogen zu der unlängst speziell in Mitteldeutschland angelaufenen Antikapitalismuskampagne (Antikap) gespannt. Angesichts der zeitlichen Nähe des 1. und des 8. Mai (beziehungsweise in diesem Fall des 6.) eien Verbindung, die sich dem politisch denkenden Menschen förmlich aufdrängt und die auch dem normalen Bürger oder der normalen Bürgerin gut zu vermitteln ist.

In der Hinsicht also sowohl inhaltlich als auch vom Ablauf her durchaus sehr gelungen. 

Hamburg, den 6. Mai 2006
Christian Worch


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