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RANDALE IN EIMSBÜTTEL
Christian Worch
Hamburg, den 9. Juni 2006
Am Donnerstag, dem 8. Juni, fand abends in der Osterstraße in Hamburg-Eimsbüttel eine
stationäre Kundgebung der NPD statt. Vorausgegangen waren polizeiliche Schikanen
anläßlich eines Info-Standes am Sonnabend davor, so daß das Motto der Versammlung
lautete: „Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden.“
Dies rief unfreiheitliche Kräfte auf den Plan, von denen die gemäßigteren zu SPD und
GRÜNEN gehörten, die weniger gemäßigten zu der üblichen Antifa- und Autonomenszene.
Wohl aus diesem Grunde zeigte die Polizei sich mit einer sehr massiven Präsenz; schon eine Stunde vor Versammlungsbeginn konnte ich fünf
Wasserwerfer beobachten; insgesamt sollen es nach Medienberichten nicht weniger als acht gewesen sein. Auch der Personalaufwand der
Polizei war mit 1.200 Beamtinnen und Beamten sehr massiv; die Gegendemonstranten
sollen 800 gewesen sein, von denen allerdings sicherlich nicht alle militant waren.
Angesichts dieses Aufwandes blieb die eigentliche Veranstaltung eher ruhig; es flogen
vereinzelt Eier und Zwiebeln, und von denen, die nahe genug herankamen, waren die
bekannten Pöbeleien zu hören. Zumindest so lange, bis die Veranstaltung begann und die
Lautsprecheranlage in Betrieb genommen wurde. Danach war von den Pöbeleien eigentlich
nichts mehr zu hören...
Angemeldet war von 19.30 Uhr bis 21.30 Uhr, allerdings bestand die Auflage, daß die
Lautsprechereinrichtung nur bis 21.oo Uhr benutzt werden durfte, was mit Blick auf die
Interessen der Anwohner durchaus nachvollziehbar ist. Die eigentliche Kundgebung dauerte
daher nur knapp über eine Stunde. Es sprachen Anja Zysk, die Hamburger Landesvorsitzende
der NPD, Hans-Gerd Wiechmann sowie meine Wenigkeit, jeweils unterbrochen
durch Blöcke von Musik vom Band; eine Mischung, die in Hamburg bei stationären Versammlungen unter
freiem Himmel durchaus beliebt ist.
Meiner Zählung nach waren wir ca. 50; das bürgerliche Hamburger Abendblatt machte daraus
schmeichelhafterweise knapp 100. Während der Kundgebung selbst kam es zu keinen
nennenswerten Zwischenfällen, außer daß ein nicht mehr ganz junger und eher
durchschnittlich denn typisch links aussehender Bürger sich des Mikrophons zu bemächtigen
versuchte. Es blieb bei dem Versuch.
Die Zwischenfälle gab es eher ein Stück weiter entfernt, wo immer wieder
militante Linke gegen polizeiliche Absperrungen andrängten und teilweise
unter Einsatz von Wasserwerfern zurückgedrängt wurden. Nach Medienberichten wurden etwa 40 von ihnen festgenommen.
Außerdem sollen die Krawalle auch nach unserem Abzug bis in die Nacht angedauert haben.
Auch der Großteil unserer Kundgebungsteilnehmer, die geschlossen mit der
U-Bahn abrückten, wurde noch in Auseinandersetzungen verwickelt. An der
nächsten U-Bahn-Station hatte eine Gruppe vermummter und bewaffneter Linker gewartet, die die U-Bahn ein wenig
„entglasten“. Personenschaden entstand dabei nicht. Da die Bahn erst einmal nicht weiterfuhr
und da wegen der relativ geringen Entfernung zum früheren Einsatzort nicht
sicher war, ob nicht von dort größere Mengen Pöbels nachrücken wurde,
entschlossen sich die Kameradinnen und Kameraden, in den Bus umzusteigen. Unterwegs versahen einige sich mit herumliegendem Holz, um
im Falle direkterer Übergriffe den Angreifern entgegentreten zu können.
Zwei anwesende Zivilpolizisten, die sich wohl in ziemlicher Hektik befanden, funkten rasch ihre Kollegen herbei. Und während diese
einerseits nicht imstande gewesen waren, den steinewerfenden Überfall auf einen U-Bahn-Zug zu verhindern, sahen sie sich nun plötzlich
durchaus imstande, kurzfristig in größerer Zahl aufzulaufen. (Oder, richtiger: anzufahren.) Die vormaligen Kundgebungsteilnehmer wurden
kurzzeitig in Gewahrsam genommen, und zwar wegen der sinnvollen Begründung, sie hätten einen „bewaffneten Haufen“ gebildet. Man
transportierte sie per HVV-Bus in die Polizeikaserne Alsterdorf, wo jeder photographiert und die Personalien festgestellt wurden. Die
Abfertigung war hinreichend zügig, daß es diesbezüglich keinen Grund zu
ernsthafter Beschwerde gab. Ein bißchen länger dauerte es nur bei den Leuten, die vergessen hatten, einen Personalausweis mitzunehmen. (Also
offenbar Demonstrationsneulinge; geübte Demonstranten wissen, daß sie ein solches Papier einstecken haben sollten, um im Fall des Falles
längere Wartezeiten zu vermeiden.)
Daß tatsächlich Anzeigen oder gar Verfahren wegen Bildung des „bewaffneten Haufens“
erfolgen, wird von den Teilnehmern als sehr unwahrscheinlich angesehen; und wenn doch,
sehen sie dem nicht nur mit Gelassenheit, sondern eher mit Belustigung entgegen.
Auch wenn natürlich in einem Stadteil wie dem „roten“ Eimsbüttel das
Zahlenverhältnis von eigenen zu Gegendemonstranten zwangsläufig ungünstig ausfällt, zeigt allein die
medienmäßige Resonanz im Vorfeld wie auch im Nachhinein, daß es eine richtige
Entscheidung war, gegen die Schikanen vom vorherigen Sonnabend kurzfristig, also
nötigenfalls auch in der Woche an einem Werktagabend, aktiv zu werden.
Christian Worch
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