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Demo Bielefeld 16. September

Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, den 17. September 2006


Die Demonstration in Bielefeld am 16. September kam ungefähr dreihundert Meter weit, bevor sie von der üblichen Allianz aus Gutmenschen, anderen Linken und Polizei gestoppt wurde.

Schon vorher gab es die eine oder andere gerade aus Nordrhein-Westfalen bekannte Schikane. Gegen die geradezu schon zur Regel gewordene Durchsuchung aller Teilnehmer werden wir irgendwann mal gerichlich vorgehen müssen – wenn sich jemand findet, der bereit ist, die Kosten zu tragen oder wir dafür ein wenig Geld gesammelt haben. Geradezu schwachsinnig-heiter war eine andere Auflage: Daß die Auflagen nicht den Teilnehmern per Lautsprecher verkündet werden durften, sondern von den Ordnern sozusagen im Wege der „Mundpropaganda“ den Teilnehmern einzeln und in kleinen Gruppen mitgeteilt werden mußten. Wie von der Versammlungsleitung gesprächsweise zu hören war, war das sogar angefochten und vom Gericht bestätigt worden. (Allerdings wohl nur in einer Instanz, aus Zeitgründen oder aus Zeit- und Kostengründen.) Ich frage mich, wozu eine solche Auflage dient. Sind die Auflagen so brisant, daß sie der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt werden dürfen, sondern nur dem Kreis der Teilnehmer? Ja, es wurden sogar von einem Redner vorsorglich die Personalien festgestellt, weil er in seiner Rede die Frage aufgeworfen hatte, welchen Sinn das Verbot der Zahlenkombination 192 hat und weil er damit ja einen Teil der Auflagen öffentlich erwähnt hat.... Wir werden mit Interesse beobachten, ob es gegen den Mann wirklich ein Verfahren wegen Auflagenverstoßes geben sollte.....

Für die, die es nicht wissen, kann ich an dieser Stelle mitteilen, was bei anderer Gelegenheit der polizeiliche Staatsschutz als Begründung für das Verbot der Zahlenkombination 192 angab: Diese sei der „klandestine Code“ für „Adolf Is Back“. Der Code ist so klandestin, daß wir selbst es nicht wußten und die Polizei fragen mußten.... Was wiederum die Frage aufwirft, ob so mancher „klandestine Code“ nicht eher von der Polizei als von uns erfunden wird.

Das übliche Verfahren führte zu den üblichen Verzögerungen beim Abmarsch. Möglicherweise, damit die Gutmenschen mehr Zeit hatten, sich zu sammeln. Dafür hat die Personenkontrolle einen großen Vorteil: Die Polizei kann eine genau Zählung der Teilnehmer vornehmen. Sie kam auf 137. Meine eigene Zählung, nachdem der Marsch sich formiert hatte, war vielleicht nicht ganz so akribisch genau, aber ich kam auf ca. 140, also wird es wohl schon stimmen.....

Nach den erwähnten dreihundert Metern auf der Rückseite des Bahnhofs kamen wir an eine T-Kreuzung, wo die linke Einmündung von ungefähr 100 Personen blockiert war. Die rechte sah frei aus, aber ein Stück weiter unter einer Bahnüberführung sollen sich nach Polizeiangaben zwischen 500 und 1000 Blockierer befunden haben. Die Polizei war wie üblich nicht willens, diese Blockade zu beenden. Auch der Vorschlag, unter Zurücklassung des Lautsprecherwagens über das freie Feld auszuweichen nach etwa zweihundert Metern unter Umgehung der Blockierer auf die Straße zu stoßen und von dort eine Alternativroute zu nehmen, wurde zwar erwogen, dann aber polizeilich verworfen.

Nach einer Einsatzdauer von knapp vier Stunden entschloß die Versammlungsleitung sich daher mit Blick auf die angemeldeten Anschlußdemonstrationen in Minden und Gütersloh zur Auflösung.

Bei den beiden Anschlußdemonstrationen zeigten sich leichte Abrieberscheinungen der Teilnehmer; in Minden waren es nach Auskunft des polizeilichen Bürgertelefons ungefähr 30, in Gütersloh knapp darüber; unter dem Strich also wohl nur ungefähr die Hälfte der vorherigen
Teilnehmer.

Auch die Demonstrationen in Minden und Gütersloh konnten ihrevorgesehenen Wegstrecken nicht nutzen, sondern mußten diese wegen des aus Bielefeld bereits bekannten Zusammenspiels gegnerischer Kräfte (zu denen insolchen Fällen nun mal leider auch die Polizei gezählt werden muß!) nach jeweils wenigen hundert Metern beenden bzw. entsprechend kürzen.

Nun, was Bielefeld betrifft: Wir haben gerade in den Städten Nordrhein-Westfalens mehrfach die Erfahrung gemacht, daß dort, wo wir einige Jahre lang nicht demonstriert haben, erst einmal eine relativ große Zahl an Gegendemonstranten mobilisierbar ist. (Die letzte Demonstration in Bielefeld vor dem 16. Septmber war meiner Erinnerung nach im Frühjahr 2002, also vor viereinhalb Jahren.) Beim nächsten oder übernächsten Mal bleibt aber dann die Masse der Gutmenschen eher zuhause und reduzieren sich die Gegenaktivitäten auf einen eher kleineren harten Kern, den nicht polizeilich zu behandeln für die Behörde dann schon deutlich schwerer zu rechtfertigen ist.

Wie so viele Dinge im Leben ist auch das eine reine Geduldsfrage. Ich zitiere dazu gern den klassischen Satz Wellingtons auf dem Höhepunkt der Schlacht von Waterloo, bevor die Preußen kamen und alles herausrissen. Da sagte der englische Heerführer zu seinen Offizieren: „Schweres Draufschlagen, das, Gentlemen. Wolln mal sehen, wer am längsten draufschlägt!“

Christian Worch


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