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Hildesheim, 24. Februar 2007
Nachricht von:
Christian Worch
Hamburg, den 24.
Februar 2006
Dank guter Koordination der Bahnanreise (Dank und Anerkennung an örtliche
Kameraden!) konnte die Veranstaltung um 12.20 Uhr beginnen. Da
vorgesehener bzw. angemeldeter Beginn 12.oo Uhr war, ist für unsere
Demonstrationen diese eher kurze Verzögerung beinahe schon rekordträchtig.
Auf dem Bahnhofsvorplatz sprachen zum Auftakt Dennis Bühring, Ricarda
Riefling und Sascha Krolzig.
Gleich am Beginn der Bahnhofsstraße am Anfang des Umzuges folgte ungefähr
ein halbes Dutzend Eierwürfe von der Gegenseite. Sonst war mit „Nazis
stoppen“ nicht viel. Erstaunlich fand ich den Anblick einer
schwarz-weiß-roten Fahne in der vordersten Reihe der Gegendemonstranten
direkt an den polizeilichen Sperrgittern, getragen von einer jungen
Frau. Zu dieser Fahne und ihrer Trägerin gibt es noch eine Geschichte,
die ich später erst erfuhr. In diesem Moment war ich verwirrt, dachte
daran, daß es vielleicht den Linken gelungen sei, eine Fahne zu
stehlen, oder daß sie uns zum Hohn oder zur Verwirrung eine selbst
gekaufte Fahne
schwenkten. Ich konnte mir darüber keine weiteren Gedanken machen, denn
der Marsch ging weiter.
Auf dem Hindenburg-Platz fand die Zwischenkundgebung statt. Es sprachen
Dipl. Ing. Reinhold Leidenfrost, Hans-Gerd Wichmann, ein zweiter Redner
aus dem Hause Riefling, nämlich in diesem Fall Dieter Riefling, Silvio
Reinhold, Hartmut Wostupatsch und meine Wenigkeit. Über den Auftritt
von Reinhold Leidenfrost, dem alten Jagdflieger, freuten sich die
Teilnehmer besonders. Denn er war genau jener Zeitzeuge, dessen Auftritt
auf einer Saalverstaltung vor gut zwei Monaten Polizeichef Ippensen in
seinem Kreis Hildesheim unbedingt hatte verhindern wollen, so daß der
83-jährige Redner und seine überwiegend deutlich jüngeren Zuhörer in
einen anderen Landkreis hatten ausweichen müssen. Nun, statt im
Dezember vor vielleicht fünfzig Menschen im geschlossenen Saal und
mithin ohne Außenwirkung sprach Reinhold Leidenfrost jetzt vor 247
Demonstranten, einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Polizisten und
einigen, allerdings sehr vereinzelten Passanten. Wir freuen uns, daß
Kamerad Leidenfrost sich erneut zur Verfügung gestellt hat, und wir
freuen uns besonders, daß er durch unsere Demonstration gegen
polizeiliche Schikanen und behördliche Willkür ein ungleich viel größeres
Publikum bekam, als es bei ungestörtem Verlauf der Versammlung im
Dezember der Fall gewesen wäre.
Nicht so sehr freute sich mein polizeilicher Kontaktmann, der übrigens
anderslautenden Gerüchten zufolge NICHT Uwe Ippensen persönlich war.
Er forderte mich während Reinhold Leidenfrosts Rede auf, dem alten
Herrn „die Zügel anzulegen“, weil er sich „hart am Rande
bewege“. Ich fragte den Beamten, ob er mir in Reinhold Leidenfrosts
Rede auch nur einen Verstoß gegen das Gesetz oder gegen Auflagen nennen
könne, denn mir war keiner aufgefallen. Offenbar war ihm auch keiner
aufgefallen; er meinte nur, es sei „hart am Rande“. „Hart am
Rande“ ist aber nun kein Grund, einem Mann das Grundrecht auf
Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Grundgesetz zu nehmen. Das sollten Sie
sich hinter die Ohren schreiben, meine
Herrschaften von der Polizei Hildesheim! Anderenfalls nämlich könnte
es sein, daß Sie nicht mehr verfassungskonform sind. Und nicht
verfassungskonform zu sein, kann für Sie als Beamte ungleich viel
schlimmere Folgen haben als für den Redner Reinhold Leidenfrost oder
mich als Privatmann!
Bei dieser Zwischenkundgebung sah ich auch die schwarz-weiß-rote Fahne
wieder, die mir vorher im Pulk der Gegendemonstranten aufgefallen war,
und ich sah ihre Trägerin, eine junge Frau mit ihrem noch recht jungen
Kind. Welche besondere Bewandtnis es mit dieser Frau und ihrer Fahne und
ihrem Kind hatte, erfuhr ich erst nach meiner Rückkehr durch eine
e-mail eines mir unbekannten Zeugen. Er schrieb:
(Zitat Beginn)
Hallo Herr Worch
Ich bin heute aus verschiedenen Gründen 45 Minuten später gekommen und
deswegen musste ich mit der "anderen" Masse mitgehen. Auf
jeden fall habe ich folgendes beobachtet:
In der ganzen Masse sah ich eine Frau. Die Frau hatte in der einen Hand
ein kleines Kind (ungefähr 3-4 Jahre) und in der anderen hatte sie eine
Reichskriegsfahne. (*)An einer Kreuzung wurde die Mutter
niedergeschlagen. Man hatte versucht ihr die Fahne wegzunehmen doch sie
gab sie nicht her. Die Frau lag auf dem Boden und klammerte sich um die
Fahne damit sie sie ihr nicht wegnehmen. Es waren ungefähr 8 Personen
um sie herum, Punks, Linksextremisten und einpaar Ausländer. Man
hat auf sie eingeschlagen und eingetreten. Wer genau von den hier
genannten kann ich nicht sagen. Die Polizei stand zahlreich ca. 15 Meter
daneben. Erst nach ca. einer Minute hat die Polizei dann eingegriffen.
Ich habe es geschafft ein Foto zu machen(falls es ihnen was bringt). Die
Frau ist hier gerade aufgestanden und wird von der Polizei hinter die
Absperrung gebracht. Sie hat die Fahne immer noch in der Hand und auch
ihr Kind wieder.
Ich schicke es im Anhang mit.
Vielleicht können Sie diese Beobachtung in irgendeiner Weise verwenden.
Mit freundlichen Grüßen
(Zitat Ende)
(*) Anmerkung von mir: Gemeint war eine Reichsfahne in den Farben
schwarz-weiß-rot, nicht die Reichskriegsflagge, richtiger die Gösch
der Kriegsschiffe des Deutschen Kaiserreiches.
Welch ein Mut! Erinnern wir uns an das von Frank Rennicke gesungene Lied
von dem Mädel mit der Fahne? Auch diese junge Frau, nicht so viel älter
als das besungene Mädel, ließ von ihrer Fahne nicht, auch nicht, als
sie am Boden lag und der Mob sie tretend und schlagend malträtierte!
Eine würdige Enkelin tapferer, heldenhafter Großmütter!
Nach dem ereignislosen Rückmarsch fand auf dem Bahnnhofsvorplatz eine
kurze Abschlußkundgebung statt, auf der noch Alexander Hohensee zu Wort
kam und ein Redner zu den nächsten Demonstrationen aufrief, nämlich
genaugenommen zu Halbe am Sonnabend, dem 3. März, und zu Minden am
Sonnabend, dem 17. März. Dann wurden die Teilnehmer verabschiedet und
die Veranstaltung aufgelöst.
Die Zahl unserer Teilnehmer wurde von den Medien teils mit 150, teils
mit 200 angegeben. Die Polizei gab mir gegenüber vor dem Abmarsch vom
Bahnhof 200 an. Danach allerdings zählten sowohl Hartmut Wostupatsch
als auch ich und kamen auf ein Ergebnis von 248 beziehungsweise 246. Da
ich mich mit Hartmut über einen mehr oder weniger nicht streite, werden
es also wohl genau 247 gewesen sein. Warum die Polizei, die bei der
Durchlaßkontrolle der Teilnehmer Gelegenheit zu einer sehr exakten Zählung
hatte, mir gegenüber 200 angab, kann zwei mögliche Gründe haben.
(Oder drei, wie man es auch sieht.) Der eine ist: Es waren zwar
vorsorglich sechs Ordner benannt worden, von denen aber nur vier behördlich
anerkannt worden sind; die anderen beiden waren vorbestraft oder hatten
sonst irgendwelche angeblich ihre „Zuverlässigkeit“ hindernden
Eintragungen in polizeilichen Datensammlungen. Hätte die Polizei mir
nun gesagt, 247, hätte noch ein Ordner nachbenannt werden müssen, weil
der Schlüssel ein Ordner auf je fünfzig Teilnehmer war. Die behördliche
Überprüfung eines nachbenannten Ordners hätte aber wieder Zeit in
Anspruch genommen und den Versammlungsbeginn verzögert. Womit sich
folglich auch das Dienstende der Polizei verzögert hätte....
Vielleicht gab deshalb die Polizei lieber rund vier Dutzend zu wenig an,
um mit den vier behördlich anerkannten Ordnern auszukommen... – Es
kann natürlich auch an der Fahnenauflage gelegen haben. Denn außer
Bundes- und Landesfahnen war eine Fahne auf je 25 Teilnehmer zugelassen;
bei 200 also acht, bei 247 wären es zehn gewesen. Vielleicht mißgönnte
die Polizei uns einfach, zwei Fahnen mehr mitzuführen.... Oder aber –
und das wäre Erklärungsmuster Nummer drei – sie wollten aus
politischen Gründen lieber unsere Zahl der Öffentlichkeit gegenüber
niedriger halten, als sie war, um auf der anderen Seite die Zahl der
Gegendemonstranten übertreiben zu können.
Diese Gegendemonstranten sollen nach einigen Pressemeldungen 3.000
gewesen sein; andere, realistischere, geben 1.200 an. Eigene Beobachter
meldeten ca. 1.200. Und die Fernsehbilder vom Platz der
Gegendemonstration, die ich gesehen habe, deuten eher auf die 1.200 als
auf die 3.000 hin.
Interessant mag für den Beobachter amtlicher Zahlenspielereien auch
sein, daß die Polizei Hildesheim zwar für 17.30 Uhr zu einer
Pressekonferenz eingeladen hat, aber eine Pressemitteilung der Polizei
Hildesheim auch um 23.45 Uhr auf deren Netzseite noch nicht zu sehen
war. Vielleicht überlegt man im Präsidium Hildesheim noch angestrengt,
welche Zahlen man der interessierten Öffentlichkeit nun anbieten soll;
oder aber es muß ausgewürfelt werden, und die Würfel sind noch nicht
so gefallen, wie es einem Herrn Ippensen und seinem Anhang gefällt.
Das aber ist völlig unmaßgeblich: Denn das nicht gerade beamtenhaft
neutrale Wort, der Landkreis Hildesheim sei eine no-go-area für
Rechtsextremisten und Neonazis, wurde heute mit einer eindrucksvollen
Demonstration widerlegt.
Hamburg, den 24. Febraur 2007 (kurz vor Mitternacht)
Christian Worch
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