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Chaos in Hamburg-Barmbek

Nachricht von:
Christian Worch
 

Hamburg, den 1. Mai 2008


Chaos in Hamburg-Barmbek:

Barmbek ist ein alter Arbeiterstadtteil in Hamburg, der durch den
„Hamburger Aufstand“ eine damals reichsweite Berühmtheit erlangte.
Vielleicht hat Hamburgs militante Linke das als eine Art besondere
historische Verpflichtung angesehen, aggressiver vorzugehen als man es
in den letzten Jahren von ihnen kannte. Schon in der Anreisephase
stellte sich heraus, daß der Bahnverkehr durch brennende Barrikaden auf
den Gleisen an mindestens vier Stellen im Stadtgebiet unterbrochen war.
Eine Gruppe von etwa dreihundert Demonstranten machte sich daher
kurzentschlossen von Wellingsbüttel aus zu Fuß auf den Weg. Nach gut
einem Kilometer wurde sie von der hektisch heanrückenden Polizei
gestoppt und zugesichert, daß Transportraum als Schienenersatzverkehr
beschafft würde. Nach einer längeren, wenngleich nicht unangemessenen
Wartezeit geschah dies dann auch.

Eine Kolonne von acht Reisebussen, die eigentlich an einem ruhigen Ort
in die S-Bahn umsteigen wollte, entschied sich unter diesen Umständen,
näher an den Ort der Auftaktkundgebung heranzufahren. Dies geschah dann
auch, allerdings war die Polizei so blöd, die leeren Busse nicht gleich
weiterzufahren, was sie aus dem Gefährdungsgebiet heraugebracht hätte.
So war es im späteren Verlauf den Linken möglich, einige Busse zu
beschädigen und auch deren Fahrer zu bedrängen, zu bedrohen und
teilweise anzugreifen.

Mit entsprechender Verzögerung sammelten sich die aus verschiedenen
Regionen kommenden Teilnehmergruppen am Bahnhof Alte Wöhr. Wegen
zeitgleicher Demonstrationen in Nürnberg und im Rhein-Neckar-Gebiet
waren außer den Hamburgern vornehmlich Kameradinnen und Kameraden aus
Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Niedersachsen und
vor allem Nordrhein-Westfalen dabei. Vereinzelt fielen mir auch
Kameraden aus Sachsen-Anhalt und Thüringen auf. Stark war das Kontingent
der Niederländer.

Noch am Abend vor der Demonstration hatte das Hamburger
Oberverwaltungsgericht eine Entscheidung der ersten Instanz gekippt und
den Linken im Prinzip erlaubt, unsere Route zu benutzen, nur eben früher
als wir. Damit war das polizeiliche Konzept weiter räumlicher Trennung
gescheitert. Auch wenn Richterschelte eher als unfein gilt, ist dem
scheidenden Innensenator Udo Nagel hier zuzustimmen, wenn er die
Entscheidung der Oberverwaltungsrichter kritisiert. Diese erwies sich
als unheilvoll.

Für uns bedeutete es erst einmal eine längere Standzeit, bis die
Demonstration dann starten konne; der blockierten Strecke wegen auf
einer Ausweichstrecke, die zum Bahnhof Ohlsdorf führte.

Zwischenzeitlich wurde die Lage in Teilen Barmbeks richtig chaotisch.
Auf hanseatische Weise vornehm zurückhaltend bezeichnete die Polizei es
als „zeitweilig unübersichtlich“. Auf mich als erfahrenen Demonstranten
machte das polizeiliche Agieren eher den Eindruck völliger
Überforderung. Außer den bereits genannten Streckenblockaden durch
brennende Reifen wurde das Reifenlager einer Tankstelle „abgefackelt“,
es wurde ein Streifenwagen abgebrannt und eine Mehrzahl von Privat-PKWs.
Auch war selbst unsere Alternativroute immer wieder von ausgebrannten
oder noch schwelenden oder gar brennenden Containern gesäumt. Anderswo
in Barmbek mag es noch ein wenig heftiger ausgesehen haben.

Bevor es losging, hielt Constant Kusters von der Niederländischen
Volksunion (NVU) eine Ansprache. Dann konnte sich der Zug in Bewegung
setzen, etwa drei Stunden später als eigentlich geplant. Vereinzelt kam
es unterwegs zu Bewurf durch Steine, Obst und Farbbeutel. Als Ordner der
Demonstration sich einen dieser Werfer greifen wollten, weil die Polizei
dazu offenbar nicht willens oder imstande war, wurde dieser Ordner
festgenommen. Eine Intervention der Versammlungsleitung (Inge
Nottelmann) mit Unterstützung des Hamburger Rechtsanwalts Jürgen Rieger
sorgte allerdings für baldige Freilassung des Ordners. Bezeichnend ist
der Vorgang trotzdem.

Der ggen kurz nach 15.oo Uhr gestartete Zug bewegte sich langsam, weil
immer wieder entweder kleinere Blockaden aufzulösen waren oder teilweise
brennender Unrat beziehungsweise umgeworfene Container, Mülleimer und
dergleichen vom Weg geräumt werden mußten. An einer Stelle war ein
Straßenschild aus der Verankerung gerissen worden (was eine Menge
Energie voraussetzt), an anderen Stellen sah man „entlattete“ Zäune.
Weil es ein sonnniger und bis dahin trockener Tag war, verrieten große
Wasserlachen, an welchen stellen Wasserwerfer zum Einsatz gekommen waren.

Am Bahnhof Ohlsdorf sollte eine Kundgebung stattfinden, auf die drei
vorgesehenen Redner zu Wort kommen sollten: Rechtsanwalt Jürgen Rieger
(Hamburg), Dr. Reinhold Oberlercher (Hamburg) sowie Dieter Riefling
(Niedersachsen). Jetzt allerdings sah die Polizei den Notstand gegeben.
Lustigerweise erklärten sie diesen nur gegenüber der
Versammlungsleiterin. Eine Erklärung gegenüber den Teilnehmern, die
eigentlich für die Auflösung zwingend nötig gewesen wäre, unterblieb.
Immerhin konnte Jürgen Rieger noch einen Satz über die
Lautsprecheranlage von sich geben. Dieser bestand in der Aufforderung,
gemeinsam das Lied der Deutschen (Deutschlandlied) zu singen. Während
die erste Strophe erklang, stürmten Polizeibeamte in die Versammlung und
versuchten, Jürgen Rieger das Mikrophon zu entreißen. Jürgen Rieger sah
allerdings keinen Grund, ihnen dies zu überlassen. Es entspann sich ein
richtiggehendes Tauziehen um das Mikrophon, das damit endete, daß das
Kabel zerriß. Leider hatte die Besatzung des Lautsprecherwagens wohl
versäumt, ein Reservemikrophon und ein Reserverkabel mitzuführen.
Nachdem der demo-eigene Lautsprecherwagen auf diese Weise ausgeschaltet
war, wurde der der Polizei aktiv. Er forderte die Beamten auf, die
Teilnehmer in den Bahnhof Ohlsdorf zu drängen.

Die Teilnehmer waren zwischen 1.000 und 1.100. Dies ist nicht allein
meine Schätzung, teilweise aufgrund von Kenntnis der Stärke der
einzelnen Reisegruppen. (Eine korrekte Zählung wurde umständehalber
nicht durchgeführt.) Es sind auch die Angaben von NDR (1.000) und
SPIEGEL ONLINE (1.100).

Tausend Leute in einen Bahnhof hineinzudrängen, ist nicht ganz einfach.
Vor allem dann nicht, wenn diese den Bahnhof nicht wirklich betreten
können: Die Türen waren nämlich von der Bundespolizei blockiert. Allein
das zeigt schon, wie unsinnig die Polizei an diesem Tag agiert hat –
schwerer handwerklicher Fehler! Da wußte die linke Hand nicht, was die
rechte Hand tat. Wenn die berufenen Ordnungshüter sich so dämlich
anstellen, dann kann es eigentlich keinen Wundern, daß linksextreme
Autonome einen Stadtteil beinahe völlig vom öffentlichen Nahverkehr
abschneiden und an Dutzenden von Stellen Brände legen können.

Schließlich kriegte die Polizei nach Einsatz von Knüppeln und
Pfefferspray oder Tränengas irgendwann einmal mit, daß sie Blödsinn
anstellte. Also unterließ sie ihre weiteren Versuche, aber dafür teilte
sie den Teilnehmern mit, diese würden jetzt mit Sonderzügen zum
Hauptbahnhof gebracht. Das allerdings entsprach nicht dem Wunsch eines
beträchlichen Teiles der Leute, weil diese ihre Fahrzeuge in
Wellingsbüttel stehen hatten oder die unbeschädigt gebliebenen Busse
dorthin beordert waren. Aber die völlig überforderte und sachlich nicht
mehr rational agierende Polizei erwies sich als unkommunikativ und
uneinsichtig. Gut, dachten sich tausend Leute, dann fahren wir halt alle
zum Hautpbahnhof; und dort brauchen wir dann entsprechend viel Zeit, um
uns in die Gruppen zu sortieren, die gemeinsam irgendwo hin fahren
wollen. Und wenn dann die Linken hinterherkommen, dann hat halt der
Hauptbahnhof Pech gehabt.

Vielleicht merkte das irgendwann auch einmal die Polizei, und siehe da,
es war plötzlich durchaus möglich, auch in Richtung stadtauswärts zu fahren.

Somit konnte dann kurz vor 18.oo Uhr die Weiterreise in die jeweils
gewünschte Richtung angetreten werden.

Nach Medienberichten erwartet die Polizei noch für den Abend
beziehungsweise die Nacht Ausschreitungen.

Die Teilnehmer der parteifrei angemeldeten, aber von der NPD Hamburg
unterstützen Demonstration waren insgesamt mit dem Ablauf zufrieden. Es
war ein ereignisreicher Tag gewesen. Vor allem in der Anmarschphase
hatte erfolgreich agiert werden können, und bei einer Gelegenheit war
der Übermut vorstoßende linker Aktivistengruppen rasch gebrochen, als
sie sich plötzlich ohne eine für sie schützende Polizeikette fünfhundert
nationalen Aktivisten gegenübersahen. Da hieß es dann Fersengeld geben.
Auch Vertreter insbesondere linker Medien sahen sich teilweise dem Unmut
nationaler Aktivisten ausgesetzt. Der bekannte Links“journalist“ Andre
Arden mußte panisch fliehen, als ein paar Leute ihn für seine manchmal
unsägliche Berichterstattung zur Rede stellen wollten. Und ein
Kamerateam des Norddeutschen Rundfunks beschwerte sich darüber, bei
seiner Tätigkeit bedrängt bzw. abgedrängt worden zu sein, wobei man dem
einen oder anderen wohl auch noch unfreundlich in die Hacken getreten
hat. Tja, da bekommt dann schon mal der eine oder andere Journalist zu
spüren, welchen Unmut die tendentielle Berichterstattung seines Senders
hervorrufen kann. Trifft zwar in solchen Fällen eher die „kleinen
Lichter“, aber die können sich dann ja bei ihren Regisseuren,
Abteilungsleitern, Indentanden oder wie all diese Leute heißen
beschweren. Vorausgesetzt, sie haben die Zivilcourage dafür. Ansonsten
müssen sie halt damit leben, daß Journalisten inzwischen ähnlich
unbeliebt sind wie Polizisten.

Das wir zufrieden waren, wird die militante linke Gegenseite nicht daran
hindern, auch zufrieden zu sein. Das liegt in der Natur der Sache. Wer
aber am wenigsten zufrieden sein dürfte, ist die Polizei, die zeitweilig
einfach den Überblick und die Kontrolle verloren hat. Ein für die
Innenbehörde Hamburg peinliches juristisches Nachspiel wird die wohl
unausweichliche Folge sein. Na, Hamburg hat ja schon Übung darin, sich
vor Gerichten schallende Ohrfeigen zu holen. Da kommt noch was nach!

Abschließend ein kurzes Streiflicht zu anderen Veranstaltungen. In
Nürnberg führte die NPD ihre zentrale 1.-Mai-Demonstration durch.
Interne Quellen sprechen teilweise von 1.500, teilweise von 2.000
Teilnehmern. Die Veranstaltung verlief störungsfrei. Auch im
Rhein-Neckar-Gebiet gab es eine Doppeldemonstration. Daran nahmen ca.
300 Aktivisten teil. Die erste von zweien verlief störungsfrei, bei der
zweiten gab es geringfügige Störungen. Dem Vernehmen nach sollte auch in
Sachsen durch parteifreie Kräfte aus dem Umfeld des „Freien Netzes“
demonstriert werden. Informationen hierüber liegen mir noch nicht vor.
Unter dem Strich sieht es so aus, als hätte das nationale Lager zum 1.
Mai dieses Jahr bei 3.000 oder eher über 3.000 Teilnehmer für
verschiedene Demonstrationen mobilisiert. Gegenüber dem Vorjahr leider
kein Fortschritt, aber auf jeden Fall eine Stabilisierung.


Christian Worch


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